Irgendwie stimmt es. Die Gesellschaft beschäftigt sich großteils nur mit
oberflächlichen Symptomen der globalen Kernprobleme. Zum Beispiel mit der
Flüchtlingskrise. Überall glauben die Menschen, diese sei das größte Problem,
das wir haben. Das ist lächerlich. Die Ursachen dieser Krise sind weitaus
verheerender und verursachen weitaus mehr und schlimmere Probleme, von denen
wir wegsehen.
All diese gesellschaftskritischen Videos tangieren
hintergründig diese Kernprobleme (z.B. stetiges Wirtschaftswachstum,
Ressourcenverknappung, Regenwaldabholzung, Überfischung aller Meere, wachsende
soziale Ungleichheit weltweit, Ausbeutung, Kriege, Klimawandel). Sei es Fight
Club, 39,90, Network, Mr. Robot, Dokumentationen und viele mehr.
Versteht meinen Standpunkt nicht falsch. Ich bin kein
"scheiß Hippie", kein Fundi oder dergleichen. Ich bin Realo. Ich
weiß, dass wir alle maßgeblich von unserem Wohlstand abhängig sind. Wir
Idealisten und Gutmenschen verbrauchen auch Ressourcen, beanspruchen
Abwassernutzung, produzieren unvermeidlich Abfall und sind von der Wirtschaft
abhängig. Ich denke aber differenziert und kritisch. Standpunkte können auch
zwischen radikalen Pro- und Contra-Polen liegen. Es gibt gemäßigte
Alternativen, Kompromisse (auch ein Gleichgewicht)!
Die meisten aber begnügen sich damit, bei einer Randnotiz
darüber in den Medien dies zu bedauern. Sie akzeptieren unsere kompromisslose,
unnachhaltige Verschwendungskultur damit, dies hin und wieder zu bedauern und
sich eine bessere Welt bloß zu wünschen. Es ist schon ein kollektiver,
gebetsmühlenartiger Ritus geworden, einmal pro Jahr nur den Fokus der
Aufmerksamkeit auf solche Berichte zu lenken, auf sinnlose, aktionistische
Konferenzen mit Absichtserklärungen und Lippenbekenntnissen. Nur um sich dann
wieder den unwichtigen Themen zu widmen, für die man sich nicht selbst, sondern
für die sich bequemerweise andere ändern müssen: Flüchtlingskrisen z.B. oder
Schimpfen über Politiker und Manager (es sind ja immer die anderen), über
irgendwelche steuerhinterziehenden Fußballmanager oder über das Dschungelcamp.
Noch einfacher machen es sich die meisten jungen Männer und Jugendliche, gerade
in den USA. Lieber mit Junkfood vor dem PC sitzen, auf 9GAG frauenfeindliche,
sexistische Posts und Kommentare erstellen, sich im fanatischen Vegetarier-Hass
gegenseitig ihrer Männlichkeit als Fleischesser bestätigen, Witze über diese
Hippies und Gutmenschen machen und sich einfach nur gut fühlen als
PC-Master-Race.
Als ich bei meiner Tante am Kaffeetisch mal die
Möglichkeit ansprach, als Konsument umzudenken, Verantwortung zu tragen, mit
der wir zu den thematisierten Problemen beitragen, wurde ich von denen angesehen, als wollten
sie die Klappse anrufen und die Männer mit den weissen Kitteln holen lassen.
Zornig (fast schon mit Schaum vor dem Mund) kamen dann Rechtfertigungen für
unseren Anspruch auf diesen immensen Wohlstand, trotz aller Probleme. Und dann
der Vergleich mit zwei Kisten Veltins, von der eine günstiger ist (Homo Oeconomicus).
Ich versäumte leider den passenderen Vergleich mit 1€-Wegwerfprodukt Made in
China und dem 5 €-Produkt Made in Germany, Bio und Fairtrade. Oder mal statt
Auto das Fahrrad oder den Bus zu nutzen (auch zur Verkehrsentlastung). Aber...
Ist ja alles alternativlos, denn Bio ist ja ekeliger
Scheiß für Grünen-Wähler und ändert eh nichts, oder? Klimawandel ist eh ein
Schwindel. Ressourcenverschwendung, Abfallwahnsinn und Umweltverschmutzung?
Weil ich es mir wert bin! Jawoll!
Da musste ich eben an die Frau im Friseur-Salon denken, eine Modeverkäuferin in der
Innenstadt, die über Kellnerinnen herzog, die ja nichts leisten und gar kein
Trinkgeld verdient hätten. Und wenn sie was bestellt/kauft, will sie es SOFORT
haben und nicht erst auf Lieferung lange warten!
Wie soll man angesichts dieser Ignoranz, Verwöhntheit,
Gier und Scheu vor Veränderungen und Umdenken denn nicht verbittern???
Das einzige, was ich tun kann, ist sachlich und
argumentativ zu bleiben und Bildung und notwendiges Hintergrundwissen zu
unterstützen. Denn mein erlerntes Hintergrundwissen aus zehn Jahren kann ich
schlecht spontan, unvorbereitet und ohne Quellen bei einer Tasse Kaffee in die
Argumentation ausreichend einbringen.
Ich hoffe auf einen flexitaristischen Ansatz bauen zu
können, bei dem jeder freiwillig, im eigenen Ermessen und nach individuellen
Ansprüchen und Enschränkungen selber entscheidet, bei was und wie viel er im Alltag umsteigt oder
verzichtet. Um der Individualität, Ungleichheit und Heterogenität der Gesellschaft Rechnung
zu tragen.
Ich glaube, es bringt mehr, wenn 90% der Gesellschaft ein wenig umsteigt/verzichtet,
als wenn 1% der Hardliner radikal verzichtet/umsteigt. Und es ist sicher eher
im Sinne des Allgemeinwohls, als wenn irgendwann verbindliche Gesetze und
Verbote für alle kommen (z.B. Fischfang- und Kauf-Verbot, weil schon jetzt kaum
noch was im Meer übrig ist).
Nachwort:
Als ich mich dazu entschied, etwas mit Umwelt zu
studieren, um mich beruflich für die Umsetzung meiner Ideale einsetzen zu
können, war mir schon klar, dass es ein "Kampf gegen Windmühlen
wird". Heute weiß ich auch, warum.
Ich lernte schnell, dass es nicht einen Berufszweig oder
die eine Branche gibt, die besonderen Einfluss in diese Richtung hat oder die
Verantwortung dafür. Sondern dass fast jede Branche gleichermaßen in
Verantwortung steht und von Aufgaben und Pflichten für Umwelt und
Nachhaltigkeit tangiert wird. Berufe, die relativ direkt etwas mit Umwelt zu
tun haben, gibt es auch massig in den verschiedensten Branchen.
All diese Branchen/Zweige sind aber bei der Umsetzung und
Akzeptanz voneinander abhängig. Die Politiker von den Wählern (Vox Populi), die
Firmen/Konzerne von den Kunden, die Bürger/Wähler/Konsumenten von
soziologischen Faktoren wie wirtschaftliche Sicherheit und
Uniformität/Vorbilder/Milieu-Akzeptanz so wie von Medien und
Aufklärungsorganen. Diese wiederum sind abhängig von Einschaltquoten,
Werbekunden, Intendanten und Zahlen und Quoten generell (Angebot bestimmt
Nachfrage und umgekehrt!). Und so weite und so fort...
Dadurch schiebt jede dieser gesellschaftlichen Gruppen
die Verantwortung auf die andere Gruppe. "Sollen die doch anfangen. Die
sind schuld!". Das klassische Problem mit der kollektiven Verantwortung.
Wie in dieser Geschichte:
Dies ist eine kleine Geschichte über 4 Kollegen mit den Namen:
Jeder, Jemand, Irgendjemand und Niemand. Es ging darum, eine wichtige Arbeit zu erledigen und Jeder war sicher,
dass sich Jemand darum kümmert.
Irgendjemand hätte es tun können, aber Niemand tat es. Jemand wurde wütend, weil es Jeder's Arbeit war.
Jeder dachte, Irgendjemand könnte es machen,
aber Niemand wusste, dass Jeder es nicht tun würde. Schließlich beschuldigte Jeder Jemand, weil Niemand tat,
was Irgendjemand hätte tun können.