Montag, 15. Februar 2016

Misanthropisches aus meinem Tagebuch





Irgendwie stimmt es. Die Gesellschaft beschäftigt sich großteils nur mit oberflächlichen Symptomen der globalen Kernprobleme. Zum Beispiel mit der Flüchtlingskrise. Überall glauben die Menschen, diese sei das größte Problem, das wir haben. Das ist lächerlich. Die Ursachen dieser Krise sind weitaus verheerender und verursachen weitaus mehr und schlimmere Probleme, von denen wir wegsehen.
All diese gesellschaftskritischen Videos tangieren hintergründig diese Kernprobleme (z.B. stetiges Wirtschaftswachstum, Ressourcenverknappung, Regenwaldabholzung, Überfischung aller Meere, wachsende soziale Ungleichheit weltweit, Ausbeutung, Kriege, Klimawandel). Sei es Fight Club, 39,90, Network, Mr. Robot, Dokumentationen und viele mehr.

Versteht meinen Standpunkt nicht falsch. Ich bin kein "scheiß Hippie", kein Fundi oder dergleichen. Ich bin Realo. Ich weiß, dass wir alle maßgeblich von unserem Wohlstand abhängig sind. Wir Idealisten und Gutmenschen verbrauchen auch Ressourcen, beanspruchen Abwassernutzung, produzieren unvermeidlich Abfall und sind von der Wirtschaft abhängig. Ich denke aber differenziert und kritisch. Standpunkte können auch zwischen radikalen Pro- und Contra-Polen liegen. Es gibt gemäßigte Alternativen, Kompromisse (auch ein Gleichgewicht)!
Die meisten aber begnügen sich damit, bei einer Randnotiz darüber in den Medien dies zu bedauern. Sie akzeptieren unsere kompromisslose, unnachhaltige Verschwendungskultur damit, dies hin und wieder zu bedauern und sich eine bessere Welt bloß zu wünschen. Es ist schon ein kollektiver, gebetsmühlenartiger Ritus geworden, einmal pro Jahr nur den Fokus der Aufmerksamkeit auf solche Berichte zu lenken, auf sinnlose, aktionistische Konferenzen mit Absichtserklärungen und Lippenbekenntnissen. Nur um sich dann wieder den unwichtigen Themen zu widmen, für die man sich nicht selbst, sondern für die sich bequemerweise andere ändern müssen: Flüchtlingskrisen z.B. oder Schimpfen über Politiker und Manager (es sind ja immer die anderen), über irgendwelche steuerhinterziehenden Fußballmanager oder über das Dschungelcamp. Noch einfacher machen es sich die meisten jungen Männer und Jugendliche, gerade in den USA. Lieber mit Junkfood vor dem PC sitzen, auf 9GAG frauenfeindliche, sexistische Posts und Kommentare erstellen, sich im fanatischen Vegetarier-Hass gegenseitig ihrer Männlichkeit als Fleischesser bestätigen, Witze über diese Hippies und Gutmenschen machen und sich einfach nur gut fühlen als PC-Master-Race.

Als ich bei meiner Tante am Kaffeetisch mal die Möglichkeit ansprach, als Konsument umzudenken, Verantwortung zu tragen, mit der wir zu den thematisierten Problemen beitragen, wurde ich von denen angesehen, als wollten sie die Klappse anrufen und die Männer mit den weissen Kitteln holen lassen. Zornig (fast schon mit Schaum vor dem Mund) kamen dann Rechtfertigungen für unseren Anspruch auf diesen immensen Wohlstand, trotz aller Probleme. Und dann der Vergleich mit zwei Kisten Veltins, von der eine günstiger ist (Homo Oeconomicus). Ich versäumte leider den passenderen Vergleich mit 1€-Wegwerfprodukt Made in China und dem 5 €-Produkt Made in Germany, Bio und Fairtrade. Oder mal statt Auto das Fahrrad oder den Bus zu nutzen (auch zur Verkehrsentlastung). Aber...
Ist ja alles alternativlos, denn Bio ist ja ekeliger Scheiß für Grünen-Wähler und ändert eh nichts, oder? Klimawandel ist eh ein Schwindel. Ressourcenverschwendung, Abfallwahnsinn und Umweltverschmutzung? Weil ich es mir wert bin! Jawoll!

Da musste ich eben an die Frau im Friseur-Salon denken, eine Modeverkäuferin in der Innenstadt, die über Kellnerinnen herzog, die ja nichts leisten und gar kein Trinkgeld verdient hätten. Und wenn sie was bestellt/kauft, will sie es SOFORT haben und nicht erst auf Lieferung lange warten!
Wie soll man angesichts dieser Ignoranz, Verwöhntheit, Gier und Scheu vor Veränderungen und Umdenken denn nicht verbittern???

Das einzige, was ich tun kann, ist sachlich und argumentativ zu bleiben und Bildung und notwendiges Hintergrundwissen zu unterstützen. Denn mein erlerntes Hintergrundwissen aus zehn Jahren kann ich schlecht spontan, unvorbereitet und ohne Quellen bei einer Tasse Kaffee in die Argumentation ausreichend einbringen. 

Ich hoffe auf einen flexitaristischen Ansatz bauen zu können, bei dem jeder freiwillig, im eigenen Ermessen und nach individuellen Ansprüchen und Enschränkungen selber entscheidet, bei was und wie viel er im Alltag umsteigt oder verzichtet. Um der Individualität, Ungleichheit und Heterogenität der Gesellschaft Rechnung zu tragen.
Ich glaube, es bringt mehr, wenn 90% der Gesellschaft ein wenig umsteigt/verzichtet, als wenn 1% der Hardliner radikal verzichtet/umsteigt. Und es ist sicher eher im Sinne des Allgemeinwohls, als wenn irgendwann verbindliche Gesetze und Verbote für alle kommen (z.B. Fischfang- und Kauf-Verbot, weil schon jetzt kaum noch was im Meer übrig ist).

Nachwort:
Als ich mich dazu entschied, etwas mit Umwelt zu studieren, um mich beruflich für die Umsetzung meiner Ideale einsetzen zu können, war mir schon klar, dass es ein "Kampf gegen Windmühlen wird". Heute weiß ich auch, warum.
Ich lernte schnell, dass es nicht einen Berufszweig oder die eine Branche gibt, die besonderen Einfluss in diese Richtung hat oder die Verantwortung dafür. Sondern dass fast jede Branche gleichermaßen in Verantwortung steht und von Aufgaben und Pflichten für Umwelt und Nachhaltigkeit tangiert wird. Berufe, die relativ direkt etwas mit Umwelt zu tun haben, gibt es auch massig in den verschiedensten Branchen.
All diese Branchen/Zweige sind aber bei der Umsetzung und Akzeptanz voneinander abhängig. Die Politiker von den Wählern (Vox Populi), die Firmen/Konzerne von den Kunden, die Bürger/Wähler/Konsumenten von soziologischen Faktoren wie wirtschaftliche Sicherheit und Uniformität/Vorbilder/Milieu-Akzeptanz so wie von Medien und Aufklärungsorganen. Diese wiederum sind abhängig von Einschaltquoten, Werbekunden, Intendanten und Zahlen und Quoten generell (Angebot bestimmt Nachfrage und umgekehrt!). Und so weite und so fort...
Dadurch schiebt jede dieser gesellschaftlichen Gruppen die Verantwortung auf die andere Gruppe. "Sollen die doch anfangen. Die sind schuld!". Das klassische Problem mit der kollektiven Verantwortung. Wie in dieser Geschichte:

 
Dies ist eine kleine Geschichte über 4 Kollegen mit den Namen: Jeder, Jemand, Irgendjemand und Niemand. Es ging darum, eine wichtige Arbeit zu erledigen und Jeder war sicher, dass sich Jemand darum kümmert. Irgendjemand hätte es tun können, aber Niemand tat es. Jemand wurde wütend, weil es Jeder's Arbeit war. Jeder dachte, Irgendjemand könnte es machen, aber Niemand wusste, dass Jeder es nicht tun würde. Schließlich beschuldigte Jeder Jemand, weil Niemand tat, was Irgendjemand hätte tun können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen